Die gefühlte Temperatur kann schon mal unter dem Nullpunkt liegen, obwohl uns die Sonne auf den Pelz brennt. Aber woran liegt es, dass unser Temperaturempfinden uns hier einen Streich spielt?
Die gefühlte Temperatur und wie man damit umgeht
Wir stehen am Mittelmeer, die gleißende Sonne steht hoch am Himmel, doch irgendwie fröstelt uns. Wie geht das?
Menschen empfinden Temperaturen ganz unterschiedlich. Mancheiner fröstelt schon bei 20 Grad und man kann auch bei 10 Grad jede Menge Menschen mit T-Shirts über die Straße gehen sehen. Wenn wir dann jemanden sagen hören, dass es „am Samstag wieder mal ziemlich warm werden wird“, dann kann das letztlich vieles heißen. Wenn unser ganz individuelles Temperaturempfinden uns sagt, dass es „doch noch ziemlich frisch“ ist, werden wir an besagtem Samstag sicher einen Pullover überziehen.
Das individuelle Temperaturempfinden der Menschen kann man nicht vorhersagen. Dicke, dünne, muskulöse, schmächtige, große und kleine Menschen nehmen Temperaturen ganz unterschiedlich wahr. Gut ist es auf jeden Fall, hier ganz bewusst von der gefühlten Temperatur zu sprechen, denn eine solche ist es tatsächlich.
Was ist der Windchill-Faktor?
Der Windchill (aus dem Englischen „wind chill factor“) ist der Unterschied zwischen der gemessenen Lufttemperatur und der gefühlten Temperatur in Abhänigkeit von der Windgeschwindigkeit. Der Windchill wird daher auch Windkühle oder Windfrösteln genannt und ist für Temperaturen unterhalb etwa 10 °C definiert.
Wie funktioniert der Windchill?
Vorsicht: jetzt wird es wissenschaftlich. Der sogenannte Windchill-Effekt wird hervorgerufen, indem vom Wind die relativ warme Luft in der Nähe der Haut mitgenommen und abgeführt wird. Das führt sofort dazu, dass die Verdunstungsrate auf der Haut erhöht wird. Beim Verdunsten kommt es zu einem Phasenübergang des Wassers, der durch die Zuleitung von Wärme aus der Körperoberfläche genährt wird. Die Wärme, die dem Körper so entzogen wird, kühlt die Körperoberfläche ab.
Man spricht hier auch von Verdunstungskälte. Somit bewirkt der Wind eine Angleichung der Oberflächentemperatur des Körpers an die Temperatur in der Umgebung. Dieses Angleichen empfinden wir Menschen als kühlend. Und wir Menschen empfinden dies unterschiedlich intensiv.
Die Betrachtung des Windchill wenden wir bevorzugt auf Temperaturen unterhalb der Behaglichkeitsgrenze an. Für höhere Temperaturen sprechen wir vom sogenannten Hitzeindex.
Wie kann man die gefühlte Temperatur vorhersagen?
Man glaubt es nicht, aber viel Menschen googeln sogar nach der gefühlten Temperatur an bestimmten Orten. Als ich kürzlich in Google den Suchbegriff „Gefühlte Temperatur“ eingab, antwortete Google unter anderem mit…
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Das macht deutlich, dass sehr viele Menschen sich nicht für die Temperatur in Grad Celsius interessieren, sondern ganz bewusst erfahren möchten, welche gefühlte Temperatur an einem bestimmten Ort herscht. Doch wie soll Google ( oder Facebook oder jemand anderes ) die für jede Person anders empfundene „Gefühlte Temperatur in Hurghada“ individuell benennen?
Gehen wir doch mal eine Ecke sachlicher an das Thema heran: Welche objektiven Einflussfaktoren auf die „Gefühlte Temperatur“ gibt es?
- Der Wind beeinflusst die Gefühlte Temperatur
Wie ich oben schon bei der Erklärung des Windchill ausgeführt habe, schiebt der Wind die schützende Warmlufthülle des Menschen weg. Wenn dann so zugleich ungesättigte Luft an die Haut gelangt, steigert das die Verdunstung. Es entsteht die Verdunstungskälte. Damit wirkt Wind gleich doppelt frosttreibend.
- Die Luftfeuchtigkeit beeinflusst die Gefühlte Temperatur
Man spricht hier auch von der relativen Feuchte. Die Luftfeuchtigkeit steuert, wieviel Feuchtigkeit der Haut an die Luft abgegeben werden kann. Ist die relative Feuchte in der Luft hoch, dann befindet sich bereits viel Feichtigkeit in der Luft und die Haut kann nur noch sehr wenig zusätzliche Feuchtigkeit abgeben. Somit kann die Haut nur wenig über die Verdunstung von Feuchtigkeit abkühlen. Wir empfinden die gefühlte Temperatur dann höher. Jetzt ist auch Vorsicht geboten. Der sogenannte Hitzestress kann einsetzen!
Ist die Luftfeuchtigkeit eher niedrig, kann die Haut mehr Feuchtigkeit an die umgebende Luft abgeben. Somit kann die Haut über die Verdunstung auch stärker abkühlen, weil der Schweiß dann schneller verdunstet. Wir Menschen empfinden dann die gefühlte Temperatur als niedriger.
- Die Sonne beeinflusst die Gefühlte Temperatur direkt
Wenn die Sonne scheint, dann treffen die Sonnensrahlen auf unserer Haut auf. Diese direkte Sonneneinstrahlung führt sofort zu einer Erwärmung der Haut. Selbst wenn die tatsächliche Erwärmung nur sehr gering ist, kann die gefühlte Temperatur so um bis zu 15 Grad steigen.
All diese Faktoren könnte man ja bei der Wettervorhersage berücksichtigen. Und derzeit ist ja die „Künstliche Intelligenz“ in aller Munde. Da sollte man doch meinen können, dass man die „Gefühlte Temperatur in Hurghada“ unter Berücksichtigung von
- Sonneneinstrahlung
- Wolkenbildung
- Windgeschwindigkeiten in Bodennähe und
- Luftfeuchtigkeit
genau bestimmen kann, oder? Die Wetterdienste und andere Stellen haben sich bereits daran versucht, sind jedoch letztlich alle daran gescheitert. Der Mensch als individuelles Wesen hat nun mal seine höchst persönliche Interpretation der gefühlten Temperatur und da kann auch keine künstliche Intelligenz den feuchten Finger in den Wind halten.
Wann wird Windchill gefährlich?
Der Windchill verstärkt das Kälteempfinden. Die Windchill-Temperatur ist somit ein Indikator für das Kälteempfinden. Der Windchill-Faktor deutet auch an, wie lange es dauern wird, bis Erfrierungen auf der unbedeckten Haut hervorgerufen werden.
Besonders kritisch werden Temperaturen unter minus 10 Grad Celsius. Hier spricht man bereits von strengem Frost. Wer sich bei diesen arktischen Temperaturen an die frische Luft begibt, riskiert Erfrierungen auf der Haut, insbesondere dann, wenn gerade viel Wind geht.
Wie schnell kommen Erfrierungen?
Erfrierungen kommen schneller, als man denkt. Nehmen wir beispielsweise die Temperaturvon minus 10 Grad Celsius oder so. Wenn jetzt ein Wind mit einer Windgeschwindigkeit von 35 km/h bläst, dann dauert es weniger als 30 Minuten, bis die ersten Erfrierungen sich auf der Haut einstellen.
Sinkt die Temperatur noch weiter ab und steigt die Windgeschwindigkeit, kann es auch schnell zum Frost-Bite kommen. Dann dauert es keine 5 Minuten bis zum Eintritt von Erfrierungen.
Frost-Bite gefährdet besonders Bartträger
Der Rauschebart ist für uns ja das Kennzeichen für kernige Kerle und Naturburschen. Gerade denen würden wir ja eine totale Immunität gegen die Unbilden der Natur zubilligen, oder? Und jetzt sollen gerade diese Härtner bei Eiseskälte besonders gefährdet sein?
Ja, so ist es. Natürlich schützt der Vollbart den Bartträger durch die im Vollbart enthaltene Luft isolierend gegen die kalte Luft in der Umgebung. Doch das kann dann sehr schnell ins Gegenteil umschlagen, wenn die Luft im Bart feucht wird. Die Luftfeuchtigkeit im Bart kann bei sehr niedrigen Temperaturen dann sehr schnell im Bart festfrieren.
Da genügt dann oft schon die Luftfeuchtigkeit des Atems. Schlimmer wird es bei den bayrischen Holzhackerbuam, die bei ihrer anstrengenden Tätigkeit trotz der Eiseskälte ins Schwitzen geraten und darüber Feuchtigkeit absondern – eben das auch im Vollbart.
Besonders kritisch ist dies, wenn sich im Bart Eisklumpen in Hautnähe bilden. So können sich an eben diesen Stellen Erfrierungen bilden. Darum gibt es für Soldaten eine Vorschrift zur Bartrasur in polaren Gebieten.
Hitzekollaps: vorsicht bei Schwüle-Gefühl!
Der menschliche Körper reguliert seine Temperatur über das Schwitzen. Erhöht sich die Körpertemperatur – etwa bei schwerer körperlicher Arbeit oder bei anderen Anstrengungen – setzt das Schwitzen ein. Dies wiederum führt über die Abgabe von Feuchtigkeit – dem Schweiß – an die umgebende Luft zur Kühlung über die Verdunstung. Wie wir weiter oben schon erfahren haben, geht das nur, wenn die Luftfeuchtigkeit in der umgebenden Luft nicht zu hoch ist und den entstehenden Wasserdampf des Schweißes auch aufnehmen kann.
Warme und heiße Luft kann das sehr gut. Ist die Luftfeuchtigkit sehr hoch, wie etwa in de Tropen, ist dies jedoch nicht mehr möglich. Dann droht dem Körper die Überhitzung, die zum Hitzekollaps führen kann. Wir bemerken die sich anbahnende Entwicklung recht schnell. Bei uns macht sich dann ein Gefühl der Schwüle breit. Je mehr die Schwüle zunimmt, umso größer ist die Gefahr der Überhitzung und damit des Hitzekollaps. Hier müssen wir für mehr Abkühlung sorgen. Ein kühlendes Wasserbad, Schatten oder starkes Trinken zum Fördern des Schwitzens sind angesagt.
Der sogenannte Heat-Index beäugt die Feuchtigkeit in der Luft und kündigt damit Hitzeschäden an.
Gefühlte Temperatur: unser Fazit
Wir sollten uns alle bewusst sein, dass es einen Unterschied zwischen der gemessenen und der gefühlten Temperatur gibt. Eine hohe gefühlte Temperatur deutet ja auch an, dass wir uns in Richtung Überhitzung bewegen, auch wenn der Weg bis zum Hitzekollaps noch weit ist. Umgekehrt deutet eine gefühlte niedrige Temperatur an, dass wir auf Erfrierungen zusteuern, auch wenn der Weg zur Arktis noch weit ist.
Nehmen wir die gefühlte Temperatur also ernst!
Kleiner Tipp für den Urlaub an der Sonne: ein kähler Drink am Pool ist nicht nur das, was unsere Seele braucht. Auch unser Körper dankt die Zufuhr des erfrischenden Drinks, denn neben dem Labsal für die Seele führt der Drink uns auch Feuchtigkeit zu. Diese wiederum kann der Körper zum Ausgleich der Wärmezufuhr durch die Sonne benutzen. Habe ich Ihnen jetzt einen Anlass für zusätzliche Drinks am Pool gegeben?
Ich wünsche Ihnen einen gefühlt angenehmen Urlaub.
Bildnachweis: © shutterstock – Titelbild kravik93, #1 Ingward, #2 BLACKDAY, #3 cliplab.pro, #4 Ekaterina_Molchanova